…so profan die Überschrift auch klingt, so eindrucksvoll waren die vergangenen 36 Stunden für mich. Das möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten, insofern hier ein kurzer Abriss der Erlebnisse der letzten zwei Tage. Kurz zur Vorgeschichte: nach 6 Wochen in der Allgemeinchirurgie bin ich mittlerweile in der Traumachirurgie angekommen. Da hier die Notaufnahme auch zur Traumachirurgie gehört, habe ich dort den Nachtdienst mitgemacht.
Mittwoch, 7. April 2010
8:00 – mein Tag beginnt mit der Morgenbesprechung. Über der dritten Patientenvorstellung nicke ich kurz ein, was aber niemanden stört, das ist so üblich und gehört zum guten Ton.
9:10 – die Morgenvisite beginnt, wir besuchen die Patienten unseres Teams (Team A / A-Team), keine besonderen Vorkommnisse.
Weiterer Vormittag – Nichts. Ich arbeite drei Fälle meines Chirurgiebuches durch. Jetzt fehlen nur noch 63 von 140.
12:00 – meine drei Kommilitonen und ich beschließen dass es Zeit fürs Mittagessen ist.
12:07 – wir haben uns gerade mit vollen Tablettes an den Mensatisch gesetzt, da klingelt das Handy. In fünf Minuten kommt ein neuer Notfall in die Ambulanz. Wir stellen einen neuen Rekord im Wer-kann-am-schnellsten-das-Essen-runterschlingen-ohne-sich-zu-verschlucken auf.
12:11 – in der Ambulanz: wir Studenten kümmern uns um Blutabnahmen, O²-Sättigung etc. Bloß nicht zu viel Verantwortung, denn dabei sein ist schließlich alles. Mir gelingt es, vorwitzig wie ich bin, ein Stethoskop auf der Patientenbrust zu platzieren. Huiuiui.
Weiterer Nachmittag – Nichts. Es fehlen mir noch 60 Fälle. Zwischendurch nen Starbucks Coffee.
17:15 – Abendbesprechung. Ich schlafe nicht.
18:12 – Abendvisite.
18:45 – der freundliche Oberarzt des A-Teams verkündet mir mit einem strahlenden Lächeln, dass hier Schluss sei und ich morgen wieder kommen könne. Ich muss ihn berichtigen, denn jetzt fängt der Spaß erst an. Mein erster Nachtdienst. Alle sind tief beeindruckt (auch Team B und Team C) von meinem Einsatz (ich auch). Mit mir bleiben noch zwei Kommilitonen.
18:55 – wir bestellen beim Japaner um die Ecke unser Abendessen. Die Oberärzte zahlen (yeah ;) ).
19:00 – kurz bevor das Essen kommt gehen vier Anrufe in Folge aus der Notaufnahme ein. Es sind noch zwei Assistenzärztinnen und ein Oberarzt anwesend.
19:10 bis 22:00 – wir sind gut beschäftigt mit Nierensteinen, gefallenen Kindern, Blutmangel, Atemnot etc. Beeindruckend für mich: die klinische Untersuchung fällt generell sehr oberflächlich aus, dafür bekommt jeder Patient ein CT plus Röntgen. Auch das 3jährige Kind. Beispiel neurologische Untersuchung bei einer Patientin mit Verdacht auf Gehirnblutung: „Heben Sie mal den rechten Arm. Und jetzt links. Und dann die Beine.“ Dann einmal kurz in die Augen geschaut und ab ins CT. Reflexe testen? Pah, das ist was für Kinder. Wenn ich das unseren Neurologen in Frankfurt als orientierende neurologische Untersuchung verkaufen würde – ich glaube ich dürfte gleich nochmal zwei Wochen Praktikum anschließen.
24:00 – mein Dienstbett steht vor mir, ich überlege fieberhaft ob ich mit oder ohne Socken schlafen soll.
24:32 – ich bin eingeschlafen. Mit Socken.
1:42 – im Nebenzimmer (Männerdienstzimmer) springt jemand vom Hochbett. 6 Sekunden später klingelt mein Diensthandy, nächster Notfall. Ich beschließe, mir nicht auszurechnen, wie lange ich geschlafen habe.
2:00 – in der Ambulanz. Mein Kommilitone und ich sind uns einig, dass wir als richtige Ärzte jetzt eine Gefährdung für den Patienten darstellen würden. Ich bin erstaunt wie schlecht ich mich grade konzentrieren kann. Das leicht üble Gefühl in meiner Magengrube erinnert mich an Tage, an denen ich wegen verspäteten Kofferpackens und frühen Abflugs in einen schönen Urlaub nur wenige Stunden schlafen konnte. Leider steht diesmal kein Urlaub auf dem Programm.
3:24 – ich liege wieder im Bett. Wieder mit Socken. Muss ja schnell gehen wenn’s Telefon klingelt.
4:20 – noch ein Anruf, irgendwas mit kaputtem Auge. Also wieder aufgestanden, Schuhe an, Haare gebändigt, Kittel an, Stethoskop lässig um den Hals und los geht’s. Wie gut dass der Kopf nicht wach sein muss damit der Rest rennen kann. Wir nehmen Blut ab und legen eine Venüle. Auf dem Pflaster wird das Datum vermerkt, was mir seltsam bekannt vorkommt. 8.4.? Ach ja richtig, haha ich hab heute Namenstag :D
5:10 – nächster Patient, 70, mit Atemnot und Bewusstseinseintrübung. Zwei Versuche eine Venüle zu legen scheitern, aber da das CT startbereit ist wird erstmal eine Schädelaufnahme angeordnet. Im CT bekommt der Patient einen Krampfanfall, Epilepsie in der Vorgeschichte. Krass. Der venöse Zugang folgt auf dem Fuß, diesmal durch den erfahreneren Oberarzt.
5:59 – kein Schlaf in Sicht. Nächste Patientin kommt mit chronischem Nierenversagen und Lungenödem. Wenigstens ist mir nicht mehr schlecht.
7:00 – ich schleiche mich nochmal zu meinem Ersatzbett, kann aber nicht schlafen.
7:37 – Starbucks. Ich halte einen großen Kaffee in den Händen und mich für die momentan glücklichste Person in diesem Klinikum.
8:00 – Morgenbesprechung. Es gelingt mir wach zu bleiben, obwohl ich meinen Kaffee in der Besprechung nicht trinken darf.
8:34 – Morgenbesprechung war kurz heute, Morgenvisite fällt aus. Dafür warten in der Ambulanz die nächsten zwei Fälle. Ich gehe hin und mache einfach weiter.
10:05 – der Oberarzt aus dem Nachtdienst erinnert mich dran dass ich nach Hause gehen kann. Meine beiden Kommilitonen wollen noch auf den nächsten Fall warten, Rentner der Insektenvernichtungsmittel getrunken hat. Den spar ich mir und geh heim.
10:12 – auf dem Rückweg fällt mir auf, wie schön die Kirschblüte grade ist. Vor allem bei Tageslicht :)
10:35 – Gute Nacht für heute.
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